NRW-Pressefoto 2024 – Auszeichnung für Bild aus dem Ukrainekrieg
Veröffentlicht: Dienstag, 10.12.2024 12:51
Auch im diesem Jahr wurden wieder die Pressefotos des Jahres gekürt. In diesem Jahr geht der erste Preis an ein Bild aus dem Ukrainekrieg.
Es ist eine berührende Szene auf dem Siegerfoto für das NRW-Pressefoto des Jahres: Er muss in den Krieg, sie fährt zurück nach Nordrhein-Westfalen. Das Foto "Lena und Ivan – Verabschiedung am Busbahnhof" hat Fabian Ritter für den "Spiegel" gemacht. Dafür wurde er mit dem ersten Platz beim Journalistenpreis des Landtags Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet.
Eine durch den Landtag benannte Jury hat auf Platz Zwei ein Foto von Christopher Neundorf gewählt. Er fotografierte für epa einen Mann, der nach dem Terror-Angriff in Solingen trauert. Mit Platz Drei wird ein Foto von Kerstin Kokoska ausgezeichnet. Sie fotografierte für die WAZ bei einer Demonstration für die Demokratie in Essen.
Viele Einsendungen gab es für den Sonderpreis "Sportland Nordrhein-Westfalen". Ihn erhält Jürgen Fromme für seine künstlerisch anmutende Momentaufnahme vom Eröffnungsspiel der Handball-EM in Düsseldorf. Über den Nachwuchspreis entschied die Öffentlichkeit: Mehr als 850 Stimmen wurden abgegeben, eine deutliche Mehrheit stimmte für das Foto eines Großbrandes, das Daniel Schröder für den Soester Anzeiger machte.
Die Bilder des Jahres sind bis Mitte Januar 2024 im Landtag ausgestellt.
Die Preisträger "NRW-Pressefoto 2024"
Stellungnahme der Jury:
Auf den ersten Blick, eine Fotografie, die uns im klassischen Betrieb der journalistischen Fotografie eher ungewöhnlich zu sein scheint. Denn über das Umfeld und den Anlass dieser Fotografie erfahren wir visuell eigentlich nichts. Wir blicken ein emotional-subjektives Doppelporträt an, sensibel gesehen, erfasst und fotografisch umgesetzt. Durch die Fotografie hindurch, wie ein Fenster zur Welt, schauen uns zwei jungen Menschen an, die in inniger Nähe verbunden zu sein scheinen. Er selbst schreibt zu seiner eingereichten Fotografie: "Verabschiedung am Busbahnhof: Das junge Pärchen aus Düsseldorf, Lena und Ivan, sehen sich nach langer Trennung zum ersten Mal im ukrainischen Lviv wieder. Auf dem Bild verabschieden sie sich für ungewisse Zeit, Lena fährt zurück nach Deutschland/NRW, Ivan bleibt vorerst im Kriegsgebiet." Mit dieser zusätzlichen Information wandelt sich unser Blick auf das Foto grundlegend. Denn der Alltag des Kriegsgeschehens der Ukraine holt uns damit aktuell ab – aber nicht durch eine Dokumentation von Krieg und Zerstörung, sondern durch persönliche Identifikation mit den uns unbekannten Protagonisten dieser Aufnahme. Plötzlich ist die ukrainische Stadt Liviv gefühlt nicht mehr 1400 Kilometer entfernt, sondern nahe zu unserem Lebensmittelpunkt in Nordrhein-Westfalen. Das Paar aus Düsseldorf wird Teil unseres Alltags und bleibt uns doch fremd.
Stellungnahme der Jury:
Christopher Neundorf hat für die Berichterstattung über dieses Ereignis eine andere Perspektive gesucht und gefunden. Er hat eine Situation fernab von den offiziellen Terminen eingefangen. Eine Situation, die vor allem den Versuch zeigt, mit dem Geschehenen umzugehen: In Würde, in Stille, in Trauer, in Ehrfurcht. Das Foto hebt sich damit von den vielen anderen Bildern rund um dieses Ereignis ab. Und es drückt Anteilnahme, Beistand, Solidarität und eine tiefe Verletztheit aus. Das Meer der Kerzen, deren Licht das Gesicht des knienden Mannes streift. Die Hände gefaltet. Die Farben im Vordergrund des Fotos, die das Dunkel erhellen. Links sein Hund, rechts eine Einkaufstüte. Er scheint ganz bei sich zu sein. Wir wissen nicht, ob der Mann spontan vorbeigekommen ist und was ihm gerade genau durch Kopf und Herz geht. Es bleiben, wie immer nach solchen Ereignissen, Fragen und die Erkenntnis, dass in Momenten größter Not und Sprachlosigkeit manchmal nur Gesten übrigbleiben um auszudrücken, wofür Worte fehlen.
Stellungnahme der Jury:
Zu Anfang dieses Jahres gingen im ganzen Land hunderttausende Menschen auf die Straße. Viele waren zum ersten Mal auf einer Demonstration. Die Mitte der Gesellschaft stand auf, um sich einzusetzen für die Demokratie und um ein Zeichen gegen Hass und Hetze zu setzen. Diese Groß-Demonstrationen fotografisch ins Bild zu setzen war Aufgabe vieler Pressefotografinnen und -fotografen in diesem Jahr. Die Jury beeindruckte dieses Bild durch seine Komposition: Die große Menge der Demonstrantinnen und Demonstranten, die Masse, die ein Gesicht bekommt durch die Frau in der Bildmitte. Ihr farbiges Plakat kontrastiert mit der dunkel gehaltenen Umgebung und dem unscharfen Rahmen. Die junge Frau steht im Zentrum, blickt den Betrachter direkt an und steht damit exemplarisch für alle Demonstrierenden und für das Selbstbewusstsein der Mitte der Gesellschaft, für die Demokratie aufzustehen.
Stellungnahme der Jury:
Das Bild wirkt wie ein Kunstwerk. Je länger man es betrachtet, desto mehr entdeckt man: Den verdrehten Körper im Mittelpunkt, die gegnerischen Spieler, die nicht mehr eingreifen können, die aufgeblasenen Wangen des Torwarts und die abstützende Hand kurz vor dem Boden. Gänzlich künstlerisch wird das Bild durch den Schatten des Spielers, der durch seine scharfen Umrisse wie ein Teil des Geschehens wirkt. Beim Betrachten des Bildes fragt man sich, wie die Szene weitergegangen ist: Tor oder kein Tor? Das Foto ist eine Momentaufnahme aber kein Schnappschuss. Ein solches Bild zu erstellen, ist kein Glück oder Zufall. Es ist eine fotografische Leistung, ein Gefühl für den Augenblick und viel Arbeit und Zeitaufwand.
Stellungnahme der Jury:
Das Foto beeindruckt zum einen formal durch die geradezu künstlerisch anmutende Komposition und Farbgebung, zum anderen inhaltlich durch die berührende Dokumentation eines Moments der Erschöpfung und des Innehaltens inmitten des stundenlangen Kampfes der Feuerwehrleute gegen die Flammen. In Lokalredaktionen sind Fotografinnen und Fotografen oftmals spontan und auch nachts unterwegs, um zu berichten. Daniel Schröder suchte sich bei diesem Einsatz eine Perspektive, die nicht nur das Ereignis dokumentierte, sondern auch die Menschen in den Mittelpunkt rückt: Und zwar die Einsatzkräfte, die bis zur Erschöpfung ihren Dienst tun – und das oftmals ehrenamtlich. Das Bild würdigt damit auch den Einsatz der freiwilligen Feuerwehren.
Die Jury "NRW-Pressefoto 2024"
- André Kuper, Präsident des Landtags
- Roland Geisheimer, Fotograf, Freelens, Verband der Fotografinnen und Fotografen
- Volkmar Kah, Geschäftsführer Deutscher Journalistenverband NRW
- Andreas Müller, Geschäftsführer des Zeitungsverlags Aachen und Mitglied des Vorstands des Zeitungsverlegerverbands NRW
- José Narciandi, Landtagskorrespondent RADIO NRW und Mitglied im Vorstand der Landespressekonferenz
- Prof. Elke Seeger, Fotografie und Konzeption, Prorektorin für Studium und Lehre, Folkwang Universität der Künste
- Georg Jorczyk, Grimme-Institut