Regierungswechsel auf Trumps Wunschinsel
Veröffentlicht: Mittwoch, 12.03.2025 14:17

Grönland-Wahl
Nuuk (dpa) - Das von US-Präsident Donald Trump umworbene Grönland steht vor einem Regierungswechsel. Bei der Parlamentswahl auf der größten Insel der Erde wurden zwei bisherige Oppositionsparteien die neuen stärksten Kräfte im Inatsisartut, dem Parlament in der grönländischen Hauptstadt Nuuk. Die beiden Parteien, Demokraatit und Naleraq, streben eine mögliche Unabhängigkeit vom Königreich Dänemark an, haben jedoch unterschiedliche Vorstellungen vom Tempo auf dem Weg dorthin. Eine Übernahme durch die USA, wie sie Trump vorschwebt, gilt dagegen nach jetzigem Stand als unrealistisch.
Die sozialliberale Demokraatit (Demokraten) kam auf überraschend starke 29,9 Prozent, womit sie ihr Ergebnis der letzten Wahl 2021 mehr als verdreifachte. Die auf eine schnelle Loslösung von Dänemark pochende Naleraq verdoppelte ihren Stimmanteil auf 24,5 Prozent.
Regierung abgewählt
Die beiden gemeinhin stärksten politischen Kräfte auf Grönland und bisherigen Regierungsparteien sind derweil die großen Wahlverlierer. Die linke Partei Inuit Ataqatigiit (IA) von Regierungschef Múte B. Egede büßte rund 15 Prozentpunkte ein und kam lediglich auf 21,4 Prozent, ihr sozialdemokratischer Koalitionspartner Siumut rutschte nach ähnlich großen Verlusten auf 14,7 Prozent ab. Damit habe sich der Schwerpunkt der grönländischen Politik verschoben, sagt der Grönland-Forscher Ulrik Pram Gad vom Dänischen Institut für Internationale Studien (DIIS) in Kopenhagen.
Seit der Bildung der ersten eigenen grönländischen Regierung 1979 haben Siumut und IA stets den Regierungschef gestellt. Nun wird es dem erst 33 Jahre alten Demokraatit-Chef Jens-Frederik Nielsen zufallen, eine neue Regierung zu finden. Er kündigte noch in der Nacht an, seine Hand in Richtung aller weiteren Parteien auszustrecken - auch zur Naleraq, die in weiten Teilen des politischen Spektrums kritisch betrachtet wird.
«Das ist die zweitgrößte Partei, daher kommen wir um sie nicht herum», sagte Nielsen nach Angaben des dänischen Rundfunksenders DR in der Wahlnacht. Er sprach sich gleichzeitig für einen «ruhigen Kurs» gegenüber den USA aus und dafür, dass zunächst «ein Fundament» geschaffen werden müsse, ehe man über eine Staatsgründung sprechen könne.
Für eine Mehrheit im 31 Sitze fassenden Inatsisartut hat Nielsen gleich mehrere Optionen. IA-Chef Egede erklärte sich bereits bereit für Verhandlungen. Auch der Naleraq-Vorsitzende Pele Broberg schloss eine Zusammenarbeit nicht aus.
Der Dozent Rasmus Leander Nielsen von der grönländischen Universität Ilisimatusarfik in Nuuk vermutet, dass Demokraatit eine Regierung mit der IA bilden und vielleicht zusätzlich die kleinere konservative Atassut mit ins Boot holen könnte, die es als fünfte Partei ins Parlament schaffte. An ein mögliches Bündnis zwischen Demokraatit und Naleraq glaubt er dagegen nicht.
Trump-Debatte prägt Wahl
Grönland hat nur knapp 57.000 Einwohner, ist von der Fläche her aber sechs Mal so groß wie Deutschland und zu vier Fünfteln mit Eis bedeckt. Die Insel hat eine große Bedeutung für das Weltklima, die militärische Kontrolle der Arktis und ist zudem reich an Rohstoffen wie seltenen Erden. Zudem verlaufen in der Region wichtige Schifffahrtsrouten.
All das hat auch die Begierde von Trump geweckt. Er hatte in den vergangenen Monaten immer wieder erklärt, die Kontrolle über die Insel übernehmen zu wollen. Er begründete diese Forderung wahlweise mit der nationalen oder der internationalen Sicherheit. Die Aussagen haben die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf das eigentlich abgeschiedene Grönland gerichtet und die Menschen vor Ort teils stark verunsichert. Letztlich haben sie aber auch die Unabhängigkeitsdebatte befeuert, die die Inselbürger seit Jahrzehnten führen.
So einfach, wie Trump sich eine Grönland-Übernahme vorstellt, ist es allerdings nicht. Anders als etwa im Falle Alaskas 1867 können die USA Territorium heutzutage nicht einfach von anderen Staaten abkaufen. Eine klare Mehrheit der Grönländer ist einer Umfrage zufolge zudem dagegen, Teil der USA zu werden.
Vor diesem Hintergrund ist es zum jetzigen Stand nicht denkbar, dass die neue grönländische Regierung dem Trump-Wunsch in irgendeiner Weise Folge leistet. Bereits Egede hatte immer wieder deutlich gemacht, dass Grönland nicht zum Verkauf stehe, aber durchaus Interesse an einer stärkeren wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit den USA etwa beim Rohstoffabbau habe.
Auch Experte Gad schätzt nach dem Wahlausgang ein: «Trumps Umarmung ist zurückgewiesen worden.» Nun gehe es darum, sein Interesse hin zu wirtschaftlicher Zusammenarbeit zu lenken. Dabei könne auch der EU eine wichtige Rolle zukommen. Ähnlich sieht es sein Kollege Nielsen: «Hätte Trump diese Bemerkungen im Laufe der Zeit nicht immer wieder gemacht, hätte der Fokus viel mehr auf der Zusammenarbeit mit den USA gelegen», sagt er. «Vielleicht war das etwas zu viel Interesse der Trump-Regierung.»
Die große Unabhängigkeitsfrage
Bei der Regierungsbildung wird nun vor allem interessant zu beobachten sein, wie sich die beteiligten Parteien in der Unabhängigkeitsfrage und zur Zukunft des angespannten Verhältnisses zu Dänemark verhalten. Der Großteil der Parteien ist sich einig, dass Grönland eines Tages von seiner einstigen Kolonialmacht Dänemark unabhängig werden sollte.
Uneins sind sie sich aber über den richtigen Zeitpunkt dafür: Während Naleraq für eine schnelle Abspaltung einsteht, möchten Demokraatit und andere deutlich langsamer vorgehen. In ihrem Wahlprogramm machen die Demokraten klar, dass die politische Unabhängigkeit «das letztliche Ziel» sei - aber auch, dass dafür zunächst die richtigen Bedingungen geschaffen werden müssten.
Hauptknackpunkt ist dabei Grönlands nach wie vor starke finanzielle Abhängigkeit von Kopenhagen. «Sie brauchen Kooperationspartner», betont Forscher Nielsen. Demokraatit geht darauf auch in seinem Wahlprogramm ein, in dem die Partei unter anderem auf die Möglichkeiten von freien Assoziierungsabkommen mit den USA und Dänemark hinweist. Mit Blick auf Trump heißt es in dem Programm aber auch: «Lasst uns das ganz klar sagen: Grönland steht nicht zum Verkauf. Nicht heute. Nicht morgen. Niemals.»